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  • AutorenbildPinar Kayi

Warum Veränderungen Angst machen

Change - Nein Danke?


Rund 80 % der Change-Management-Projekte von Unternehmen führen nicht oder nur teilweise zum gewünschten Erfolg [1]. Dies ergab eine IBM Studie aus dem Jahr 2014, welche branchen- und länderübergreifend durchgeführt wurde. Wo liegt das Problem? Die Probleme bei der Umsetzung von Veränderungen spielen sich in den Köpfen der Mitarbeiter und den unbewusst ablaufenden Prozessen ab. Werfen wir einen Blick darauf, wie das menschliche Gehirn – ganz unterbewusst – mit dem Thema Veränderung umgeht.


Wie reagiert Ihr Team auf Ankündigungen, die die Begriffe „Change-Projekt“‚ „Restrukturierung“ oder „Neuorganisation“ enthalten? Mit Schulterzucken, leisem Stöhnen, lauterem „Oh nein“ und Grummeln in der Magengegend?


Wenige Worte reichen aus, um (viele) negative Emotionen hervorzurufen. Und dennoch tragen alle Mitarbeiter anschließend motiviert, engagiert und kreativ ihren Anteil zu dem angekündigten Veränderungsprozess bei. Oder?


Leider nein. Jede Führungskraft weiß, dass genau an diesem Punkt die Herausforderungen beginnen.



Veränderung ist Herausforderung


Viele Mitarbeiter empfinden Veränderungen als lästig oder sogar bedrohlich, nicht als Chance auf eine erfolgreiche Zukunft. Ihre Ängste und Sorgen überschatten die gemeinsame Arbeit der folgenden Wochen. Was eine positive Entwicklung im Unternehmen einleiten sollte, setzt das Gegenteil in Gang:

einen psychologischen Abwehrprozess.


Viele unterschiedliche Situationen führen zum Auslösen dieser Abwehrreaktion:

  • Fehlende Transparenz

  • Unklare Kommunikation

  • Mangelnde Unterstützung vom Management

  • Abwehrreaktionen und geringe Motivation der Mitarbeiter durch Ängste

  • Fehlende Fähigkeiten für die Umsetzung der Anforderungen

  • Geringer Einsatz von Kapital für Change-Projekte

  • Unrealistische Zeit- und Ressourcenplanung

  • Umgang mit Veränderung als einmaligem Prozess statt kontinuierlichem Zustand

  • Scheu vor dem Um- und Dazulernen

  • Fehlende echte Beteiligung und Mitwirkung

Die entscheidenden Faktoren im Veränderungsprozess sind Menschen. Ihr Mitwirken entscheidet über Erfolg und Misserfolg. Und genau das wird meistens unterschätzt. Vielfach wird nur über den Inhalt des Change Projektes diskutiert und man versucht, über das Erklären der Sinnhaftigkeit dieses Projektes Vertrauen herzustellen.


Mit einem menschenzugewandten Ansatz, können Sie die erfolgreiche Umsetzung Ihrer Change-Projekte allerdings erheblich unterstützen. Das setzt voraus, dass wir wissen, was sich bei dieser Abwehrreaktion bzw. bei Change-Projekten im Kopf abspielt und wie wir damit umgehen können.


Anstehende Veränderungen setzen im Gehirn aller Betroffenen fast unbewusst ablaufende Mechanismen in Gang. Mit dem Wissen um diese Prozesse können Sie Ihre eigenen Gedanken und Emotionen besser kontrollieren und zugleich die Emotionen sowie die Denk- und Handlungsweisen Ihrer Mitarbeiter besser verstehen.


Oh je – ein Säbelzahntiger


Change bzw. Veränderung wird (von den meisten noch nicht einmal bewusst) als Gefahr und Bedrohung interpretiert. Angesichts einer möglichen Gefahr reagiert eine Gehirnstruktur, die sich Mandelkern oder Amygdala nennt. Die Amygdala untersucht die eingehenden Informationen auf Bedrohungen. Stuft sie etwas als potentiell gefährlich ein, schickt sie Signale an den Körper, um das biologische Überlebensprogramm zu starten.


Dies geschieht zum Beispiel durch die Beschleunigung des Herzschlages, die Steigerung des Pulses und des Blutdrucks sowie durch beschleunigtes Atmen. Alles geschieht innerhalb weniger Sekunden. Während nun die Sinne geschärft sind und die Leistungsfähigkeit des Körpers hochgefahren wird, gleicht die Amygdala im präfrontalen Kortex (zuständig für die höheren kognitiven Fähigkeiten) ab, ob bereits eine Lösung oder Strategie zum Umgang mit dieser Bedrohung vorhanden ist. Wenn nicht, startet das Gehirn die zweite Phase, in der Hormone die Cortisol-Ausschüttung einleiten. Cortisol ist ein Stresshormon, welches den Körper in einen energiereichen Zustand versetzt.


Der gesamte Prozess sorgt dafür, dass unser Körper mehr Sauerstoff und Energie bekommt, um seine Reaktions- und Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Dafür wird das Gehirn „ausgeschaltet“. Ohne Zugriff auf die kognitiven Fähigkeiten, sind Gehirn und Körper ausschließlich auf die Gefahr fokussiert. Sie sind im „Flucht-Kampf-Starre-Modus“. Haben Sie im Streit mal etwas gesagt, was Sie später nicht mehr so gemeint haben? Oder etwas getan, was Sie später bereut haben? Jedes Mal, wenn das passiert ist, hat Ihr primitives" Gehirn die Kontrolle übernommen. Einerseits bietet dieser Mechanismus Vorteile, denn er führt zu einer Leistungssteigerung. Und wenn Sie gerade einem Abgabetermin entgegenarbeiten, kann Ihnen dies die extra Portion Energie verleihen. Wird jedoch Ihr Körper in regelmäßigen Abständen von Cortisol überschwemmt, kann es verheerende Folgen haben. Dazu aber später mehr.


Gefahr hat viele Gesichter


Diese blitzschnell ablaufenden Prozesse sind evolutionsbedingt. Die Säbelzahntiger des 21. Jahrhunderts haben andere Gesichter als früher - aber das Gehirn reagiert mit dem immer gleichen Ablauf. Denn diese Reaktion war damals entscheidend für das Überleben. Heute sind es aber neben den „großen“ und langanhaltenden Gefahren Krankheit und Verlust, häufig eine Vielzahl kurzfristiger Situationen, die den Menschen Angst machen: Das Feedbackgespräch mit dem Vorgesetzten, eine drohende Auseinandersetzung mit dem Kollegen, die tägliche Fahrt auf der überfüllten Autobahn. Durch die Menge an großen und kleinen Gefahren und den damit verbundenen Ängsten, besteht das Risiko von Dauerstress.


Auch Veränderung löst Stress aus, weil sie Unsicherheiten hervorruft. Was ist nach dem Change? Muss ich mit anderen Leuten zusammenarbeiten? Behalte ich meinen Status? Wird wieder über meinen Kopf hinweg etwas entschieden und ich muss es dann durchführen? Viele Szenarien spielen sich in den Köpfen der Mitarbeiter ab und alle führen zu mehr oder minder großen Angstzuständen.


Auch Angst ist eine Gefahr


Dauerstress kann durch anhaltende Alarmbereitschaft zu Burn-out oder Depression führen. Zudem kann ein lang anhaltender, hoher Cortisolspiegel Denkstörungen verursachen, weil er den Hippocampus schrumpfen lässt. Dann verschlechtert sich das Gedächtnis und mentale Prozesse werden beeinträchtigt. Zusätzlich kann Dauerstress das Immunsystem schwächen und Schlafstörungen hervorrufen.


Cortisol, als körpereigenes Hormon, ist grundsätzlich nützlich. Es hilft dem Körper, in kurzer Zeit eine hohe Leistung zu erbringen. Dennoch sollte ein konstant anhaltender Stress vermieden werden. Ein permanent hochtourig betriebener Motor hält auch nicht lange…


Das menschliche Überlebensprogramm ist also Segen und Fluch zugleich – wie immer kommt es auf die Balance an.


Wie kann ich Angst bei meinen Mitarbeitern vermeiden?


Leben Sie eine Kultur von Transparenz und Klarheit. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass Sie nichts zu befürchten haben und dass eine ehrliche und offene Kommunikation zwischen Ihnen herrscht. Menschen haben Angst, wenn sie etwas nicht wissen oder vorhersehen können. Das Gehirn kann schlecht mit Ungewissheit umgehen, denn dies wird als Bedrohung wahrgenommen. Und je mehr über solche ungewissen Situationen nachgedacht wird, umso schlimmer werden die Vorstellungen. Unterbrechen Sie diese Prozesse.


Lernen Sie Ihre Mitarbeiter und Ihre verschiedenen Reaktionen auf Veränderung kennen. Wem fällt Veränderung besonders schwer? Holen Sie dann diese Mitarbeiter dort ab, wo sie stehen. Bauen Sie ein gutes Vertrauensverhältnis auf. Denn wo Vertrauen besteht, herrscht keine Angst. Und mit Vertrauen und Verständnis folgen Ihnen Ihre Mitarbeiter und damit können Veränderungen erfolgreicher eingeleitet werden. Beachten Sie aber dabei, dass jeder Mensch anders ist. Wenn Sie die individuellen Präferenzen und Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter kennen, können Sie auch wesentlich besser darauf Einfluss nehmen.


Jetzt wissen Sie, wie Ihre Mitarbeiter und Sie selbst auf eine Situation reagieren, die Sie als Bedrohung interpretieren. Nehmen Sie Stressreaktionen wahr, wissen Sie nun, dass eine oder mehrere Anforderungen Ihnen oder Ihren Mitarbeitern Angst gemacht haben.


Aber was für einen Einfluss hat Veränderung eigentlich auf unser Gehirn? Wie reagiert das Gehirn nun konkret auf Veränderungen? Und was haben Lernen und Routine-Tätigkeiten mit Veränderungsprozessen zu tun? Dies erfahren Sie im nächsten Blogartikel, der in Kürze erscheint.




 

Quelle: [1] IMB Studies: Making Change work, S. 4 Bildnachweise: © stockwerkfotodesign | 123rf.com (Datei-Nr. 111298622)

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